Playbacks – Styles – Drummachines etc.

Würde man nur noch die Musiker an den Start lassen, die wirklich LIVE spielen dh. ohne jegliche Hilfsmittel wie Drummachines, Sequenzer, Playback ab Konserve, Harmonizer, Loop-Stations oder wie sie alle heissen mögen, so würde die Anzahl der Acts sicher um die Hälfte schrumpfen. Die Musikpolizei bzw. eine grössere Anzahl von Musikern und Zuhörern sind sich dessen bewusst, dass beispielsweise ein Alleinunterhalter nicht ganz ohne Hilfsmittel auskommt, sei es eine Loop-Station oder einen Vocalizer. Aber gibt es in der Toleranz Unterschiede verschiedener Techniken, also Hilfsmittel bei denen man ein Auge zudrückt?


Zunächst, was gibt es überhaupt für Mogelpackungen? Nachfolgend eine nicht abschliessende Aufzählung einiger «Begleitschummeleien»

Vollplayback
Hier müssen wir nicht viel erörtern: Goht gaar nid! Ausnahme: In Fernseshows wird vielfach das Vollplayback angewendet, damit der Sound wie «ab der CD» oder wie man es aus dem Radio kennt, klingt. Man will kein Risiko eingehen und das Kabelwirrwar aufs Minimum reduzieren. So kann es sein, dass sie ein Drum hören, aber kein Drummer auf der Bühne ist wie letzthin bei der Beatrice Egli Show (April 23), als Peter Maffay seinen Song präsentierte. Wer sich als Musiker ausserhalb des Fernsehens so auf die Bühne traut, hat Nerven.

Halbplayback
Hier wird alles «ab Band» gespielt ausser der Stimme. Dh. der Künstler singt selbst. Hier drücken wir ganz ganz fest alle Augen zu und lassen es vor allem an Karaoke-Abenden zu, wo es natürlich ein Gaudi ist. Viele Musiker treten zwar in dieser Konfiguration auf, aber ich würde jetzt kein Abend damit verbringen einer Band ab Band zu zuhören, so toll die Stimme auch sein mag. Ich kenne einen tollen Elvis Imitator (Elvesto), der den Begleitsound ab seinem Natel über die Gesangsanlage abspielt und dazu singt. Tolle Stimme, doch sobald er LIVE belgeitet wird, wirds richtig gut.

Ein toller Entertainer und ein guter Freund von mir, Reto «Coolcat» spielt mit Halbplayback, spielt aber noch Gitarre dazu. Übrigens würden vor allem Musiker im Publikum merken, wenn die Gitarre nicht LIVE gespielt würde. Im Gegensatz zum Keyboard, das leicht versteckt ist, gibts hier keine Chance so zu tun als ob. Zu erwähnen wäre noch, dass der Sound, der selbst und Live gespielt wird im Vordergrund sein sollte. Also bitte nicht ganze Bläsersätze, Streicher und pompöse Sounds. Das Halbplayback sollte eine Ergänzung sein.

Drummachine oder Drum-Loops
während man bei den Voll- und vor allem bei Halbplaybacks sehr konzentriert sein muss (sobald man einen Einsatz verpass, wirds peinlich), sind da Drums im Hintergrund gutmütiger. sie haben keine Harmonien und via Fusspedal können wir die Drumspur beenden. Ich selbst benutze diese Art von Begleitung gerne. Das Publikum weiss sofort was Sache ist und dies ist für mich die legitimste Art seinen Sound aufzupolieren.

Der Rhythm-Style
Keyboards haben meist eine Automatik, die es erlaubt beim Drücken eines Akkords mit der linken Hand, eine ganze Begleitung mit Bass Strings bzw. Drums auszulösen. Sobald ich den Akkord wechsle zieht der Bass und das ganzen Drumherum mit. So ist man im Gegensatz zu Playbacks sehr flexibel. Man kann nochmal einen Refrain wiederholen oder das Stück länger oder kürzer gestalten. Die Bassläufe sind natürlich nicht immer Jazz-Like und so klingts vielfach (je nach Technik und Modell) nach einer Tanzkapelle.

Der Looper
Das ist eine Art digitales Aufzeichnungsgerät in Form eine Effektpedals meist für Gitarristen. Das Gerät wird zwischen Verstärker/Gesangsanlage und der Gitarre eingeschlauft. Drückt der Gitarrist drauf, so nimmt das Gerät den Gitarrensound auf bis wieder auf das Pedal gedrückt dh. die Aufzeichnung gestoppt wird. Ebenfalls kann man dies wiederholen und laufend weitere Spuren hinzufügen, so dass man im Laufe der Vorführung eine ganzes Orchester im Gerät hat. Ed Sheeran ist der Meister in diesem Gebiet. Wer sich noch an Fräulein Da Capo erinnert in der Late Night Show Giacobbo/Müller: Sie trat ebenfalls mit Looper auf. Der Nachteil dieser Technik aus der Sicht des Publikums: Man muss jedes mal ausharren, bis sich die ganzen Layer zu einem Ganzen geformt haben. Vielfach spannend aber beim 15. Songs kanns einem lange vorkommen. Es geht nie ein Song sofort volle Pulle los. Aus der Sicht des Musikers: Jede Ungenauigkeit kann zum Desaster werden…

Was ich noch speziell finde. So nach dem vierten Layer tönt die Sache recht nach einem Playback ABER: Da der Künstler aber diese «Soundcollage» in Anwesenheit des Publikums erstellt hat, wird das locker durchgewunken. Würde ich alle Spuren im stillen Kämmerlein produzieren und das Ganze  während dem Gig pfannenfertig abrufen, so hielte sich die Begeisterung in Grenzen, obwohl derselbe Aufwand betrieben wurde. Aber das interaktive Erstellen der Sounds ist eigentlich der eigentliche Knüller.

Der Vocalizer
Das ist ein Gerät, dass aus einer Stimme einen ganzen Chor machen kann. Ich verwende diese Technik ebenfalls nebst Drummachine. Sobald ich in den Refrain gehe schalte ich das Gerät ein und so setzt sich der Refrain mit einer zweiten oder dritten Stimme ein wenig von den Strophen ab. Die Technik dazu ist, jedenfalls für mich, sehr genial: Das Gerät erkennt den Akkord den man auf der Gitarre drückt und setzt automatisch die richtigen Töne. Also funktioniert der Vocalizer nur in Verbindung mit der Gitarre.

Autotune (Tonhöhenkorrektur)
Sobald der gesungene Ton nicht ganz astrein ist, wird er hörbar in Echtzeit korrigiert. In der heutigen Zeit wird diese Technik vor allem im Pop, bei grossen Gigs häufig angewendet. Autotune wurde vor 20 Jahren erfunden (Andy Hildebrand) und Cher ging noch einen Schritt weiter: Sie, bzw. die Techniker spielten mit den Einstellungen bzw. übertrieben diesen Effekt, dass eben dieser bekannte «Cher-Effekt» ins Leben gerufen wurde (Believe). Eine Stimme halb Mensch halb Computer. Adele macht ebenfalls Gebrauch von dieser Technik, sowie viele Acts im Hip-Hop bzw. R&B Bereich.

Grenzfall: Der Keyboarder hinter dem Vorhang
Lustige Sache, aber durchaus auch eine Variante, die sogar bekannte Bands angewendet haben (Bsp. Kiss)

Was ich persönlich (mit grosser Kompromissbereitschaft) verwende:
Bei Soloauftritten: Vocalizer / Drumbeats / Looper
Bei Duo-Auftritten: Nur Drumbeats
Ab Trio-Stufe: ALLES LIVE!

Im Gegensatz zu mir haben da viele Musiker Null Problemo. Und wirklich: Sobald man es auch deklariert, ist es legitim, trotzdem…


Nun stellt sich die Frage was geht oder was nicht geht. Meine Meinung? Eigentlich geht gar nichts ausser LIVE-Musik. Alles andere ist immer ein Kompromiss, der halt eingegangen wird, aber der immer ein wenig einen faden Nachgeschmack, jedenfalls für mich, hinterlässt. Ich kann zwar bei meinen Gigs eine grössere Sound-Abwechslung bieten, bin aber am Schluss nie total befriedigt, weil halt ein Teil nicht ich produziert habe. Damit das Publikum auch sieht, dass ich ein wenig trickse, lasse ich am Schluss den Looper laufen und gehe von der Bühne.

Darum lieben Heavy Metaller oder Jazzer ihre Sparte. Denn sie können sicher sein, dass die Künstler ihren Sound live und echt spielen ohne etwelche technische Sound-Hilfsmittel. Würde eine Heavy-Metal Gruppe so was verwenden, ich würde nicht gerne in der Haut der Bandmitglieder stecken. Ebenfalls könnte man die Rockabilly Szene auch als echt bezeichnen. Dies sollte der Normalfall sein und ich staunte nicht schlecht, als ich bei der Recherche für diesen Blog auf Bands gestossen bin, die da Sounds ab Konserve einsetzen. Die Liste der bekannten Bands wäre jetzt sehr lang, deshalb nur der Hinweis, dass es viele nicht lassen können. Zur Entlastung kann jedoch erwähnt werden, dass es sich vielfach auch um Soundeffekte handelt die eingespielt werden, also nicht Instrumente per se. Doch als ich Queen Ende in den 70ern (19.5.77) in der Sporthalle St. Jakob hörte, fiel mir auf, dass ein Klavier erklang, obwohl Freddy nicht mehr dahinter sass. Also begann diese Technik schon sehr früh.

Spiele ich aber mit mindestens zwei weiteren Musikern, so ist Ehrensache ab dieser Formation keine Hilfsmittel einzusetzen. Je besser der Musiker, desto weniger technische Krücken braucht er.

18.4.23 / 23:50 – Roland Chopard