Aber klar und leider! Vielen, denen dies nicht bewusst ist, pilgern frohgelaunt an die Konzerte der Amigos oder von Roland Kaiser, ältere Herren, die anscheinend immer noch im Liebesrausch der Romantik schwelgen. Man stellt sich vor, der Sänger stimmt ein Liedchen an, in dem «Carina» ihn brutal verlässt. Da denkt man natürlich nix dabei, wenn man die typischen Schlager-Rhythmen mit ihren gängigen 3-er Akkordfolgen hört. Doch vermutlich ist «Carina» auch schon betagt und sie kommt mit ihrem Rollator nicht weit im Pflegeheim. Deshalb sind Schlagertexte der älteren Generation für mich ein wenig köstlich und doch nicht peinlich! Warum nicht? Da ich finde, Musik soll auch gute Laune verbreiten und nicht immer die Thematik von politischen Systemen, Korruption und der bedrohten Umwelt darstellen, so traurig die Fakten sind. Manchmal will ich einfach das Radio einschalten und ein Nonsens Text zu einer Gaga-Melodie hören, ja das ist legitim. Der Musikstil ist ja per se auch unmittelbar mit dem Interpreten oder Komponisten verbunden. Heisst: steht die politische Gesinnung diametral zu der von vielen Hörern, so werden diese mit ziemlicher Sicherheit keinen Song dieses Songwriters hören. Also müsste eine zweite Frage ins Feld geführt werden: «Welcher Musiker, Sänger gefällt dir?»
Je verkopfter die Gesellschaft wird, desto verkopfter wird natürlich die Musik und dann muss man schon darauf achten, was man antwortet, wenn der bleiche Student, der von einer Demo kommt, so fragt: «Was hörst du denn so?» Dann wärs ungünstig, wenn wir mit dem Titel «Die Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe» antworten. Lernt ein paar Avantgarde-Jazz Titel auswendig und bringt die aufs Tapet. Solls noch Text sein, dann bitte etwas zeitkritisches. Denn Intelligenz hört anscheinend auch «intelligente Musik», was dies auch immer sein mag. Ganz in einem anderen Lager sind die Satans-ultra- harten Typen. Die haben wenig mit dem Alternativ-Gesülze bzw. mit den Schlips-Trägern gemeinsam. Leute die anpacken, hart gegen das System rebellieren hören düsteren Metal. Während Classic-Rock, der akustische Tummelplatz für 68-Opis ist, herrscht hier ein anderer Vibe: Monotone Riffs mit Doublebass und Blastbeatd, Der Sänger Schreit oder krächzt heidnische oder nihilistische Texte in das aufgeladene Ambiente. Alkohol, deftiger Spass, Kutte, Sticker, Headbangen, Motorräder, Satan, Teufelsfinger, Grölen etc. Mit anderen Worten: Hier sind echte Männer und keine Boss-Anzugträger der Wallstreeet anwesend! Aber lasst euch nicht täuschen. Ich kenne absolut coole und liebevolle Familienväter, die einfach Spass an tiefergestimmten brutal verzerrten Gitarren haben.
Dann begeben wir uns in die Gefilde der Fiddles, Banjos, Telecasters und Pedal-Steel Gitarren: Nashville und Country! Vermeintlich der Sound der einfachen Leute in den Bergen, die sich in einer Stadt verlaufen und die anscheinend Trump wählten. Die Klischees werden bunter und glitzernder mit all ihren Outfits und Farben. Also wäre die obige Studentenfrage bezüglich Musikstil hier ein heisses Pflaster, falls diese mit glasigen Augen mit «Country» beantwortet wird.
Jetzt wird’s happig: Blues! ja der vielgepriesene Blues mit all den damit verbundenen Leiden jener unterdrückten Menschen, denen man keine Stimme gab, aber diejenigen Menschen, die ihre Stimme via Musik dazu benutzten über das Leid des Tages zu sprechen. Abgesehen von ein paar weiteren wenigen Musikstilen steht der Blues im unmittelbaren Zusammenhang mit Politik, Rassenfragen, Gerechtigkeit, Unterdrückung und unfassbarem Leid. Ich merke selber, dass ich diesen Musikstil früher noch unbeschwerter «nachspielte». Während man früher noch unbeschwerter an die Thematik der kulturellen Aneignung heranging, kippte es heute bereits ins Fatale. Es kommt mir langsam vor, dass es eine Musik-Polizei gibt, die vorschreibt, welche Songs noch gespielt werden dürfen, welche nicht. Meine Meinung? Keine Ahnung… Ich könnte mir gut vorstellen, zieht man das Ganze ohne Gnade durch, so wird die Liste der Songs, die man noch spielen darf sehr klein, auf der anderen Seite das Gesetzbuch mit allen Verboten sehr gross!
So gäbe es sicher noch einige Stile und Crossovers, die man hier aufzählen könnte. und die Behauptung, dass man unter Umständen viel über einen Menschen sagen kann, wenn man seine Musikvorliebe kennt, könnte «eher» als wahr bezeichnet werden. Aber passt auf: Vielleicht lächelt ihr ein wenig süffisant und herablassend, wenn das Gegenüber mit «Country» antwortet. Doch lasst ihn ausreden, vielleicht erzählt er dir noch über seinen Einsatz als helfender Arzt in einem Kriegsgebiet… Schach und Matt, Jazzer!
Übrigens mag ich Jazz, aber: So ist es wie mit allem: Die Welt richtet sich nie nach Bilder, die wir vormalen. Das sang schon Mani Matter in seinem Berner Chanson «Chue am Waldrand»!
«…Doch d’Wält isch so perfid, dass sie sich sälte oder nie, nach Bilder vomer voregmacht hei, richtet…» (Mani Matter)
Es ist einfach Musik, nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Roland Chopard